Was Männer mich über Grenzen lehrten

Stell dir vor, du hast die Liebe fürs Leben gefunden – und dann macht dein Körper dicht. Ich brauchte lange, bis ich verstand, warum mir das passierte: Ich hatte meine Grenzen ignoriert.
Heute kann ich “nein” sagen – und dadurch viel bewusster “ja”.

Als ich vor einigen Jahren an einem Donnerstag im Team-Meeting plötzlich in Tränen ausbrach, gab es scheinbar keinen Grund dafür. Ich hatte Spaß an der Arbeit. Alles schien gut. Aber ich konnte nicht weitermachen. Mein Körper sagte: Stopp! Mein Hausarzt – ein sympathischer 60-jähriger Tibeter – schrieb “Erschöpfung” auf den Krankenschein und sagte mir sanft, aber bestimmt: „Sie wissen schon, dass es nicht Ihr Unternehmen ist, oder?“

In diesem Moment klickte es bei mir. Ich hatte mich schlicht übernommen. Ich hatte zu viele Projekte und zu selten ‘nein’ gesagt. Kurz: Ich war über meine Grenzen gegangen.

Das nervöse Zucken im Augenlid, wenn ich am Computer saß oder die Schwierigkeiten, abends einzuschlafen: all die Warnsignale, die mein Körper mir gesendet hatte, hatte ich ignoriert. An diesem Donnerstag zog er dann die Notbremse.

Nach einer Woche Ruhepause hatte ich für den Augenblick meine Lektion gelernt. Dass das Nicht-nein-sagen-Können aber ein tief liegendes Muster war, das sich durch alle Bereiche meines Lebens zog – das hatte ich noch nicht kapiert. Und auch nicht, dass es in meiner Macht lag, dieses Muster zu durchbrechen. Mit einem mutigen “Nein”.

Fieses Muster

Besonders stark war das Muster in meiner Beziehung. In Konfliktfällen lenkte ich lieber ein, als zum wiederholten Male über das gleiche Thema zu streiten. Meinem Partner gefiel es nicht, dass ich mit anderen Männern eng tanzte – des Friedens Willen gab ich irgendwann mein Hobby auf. Mein Partner wollte häufiger mit mir schlafen als ich – des Friedens Willen erfüllte ich seinen Wunsch. Damals war mir nicht bewusst, wie schädlich dieses Verhalten war – für mich und indirekt für die Beziehung.

So kam es, dass irgendwann mein Körper den Job übernahm, den ich nicht ausfüllte. Es sagte Nein an meiner Stelle und sperrte sich gegen sexuelle Annäherungen. Irgendwann stand ich da mit einer verkrampften Vagina, die jede Penetration unmöglich machte. Selbst Tampons einzuführen, war eine Qual. Alles tat einfach nur noch weh. – Solltest du die Situation kennen, und dich fragen, was du tun kannst, so dass deine Pussy sich wieder entspannen möchte, dann komm bald wieder vorbei oder abonniere meinen Newsletter. Ich arbeite gerade an einem Beitrag über Vaginismus.

Ein echtes Mysterium

Stell dir das mal vor: Du hast den Mann gefunden, mit dem du dein ganzes Leben verbringen willst – und dann macht dein Körper dicht.

Lange Zeit konnte ich mir das nicht erklären. Ich dachte, mit mir stimmt was nicht. Ich suchte nach einem schlimmen Kindheitstrauma, fand aber nichts. Je mehr ich mich mit meinen Mustern befasste, desto mehr verstand ich, was sich dahinter verbarg. Das Thema Grenzen. Doch ich war mir schon so untreu geworden, dass es einiges aufzuarbeiten gab, bevor mein Körper wieder bereit war, sich zu öffnen. Und so kam es, dass ich diesen wunderbaren Mann verlor.

Dein Körper, dein bester Freund

Das musste wohl so sein. Denn während ich einen Partner hatte, konnte ich mich nicht allein auf mich fokussieren. Erst als ich nach der Trennung in meiner neuen Wohnung ankam, spürte ich allmählich, wie mein Körper anfängt, sich zu entspannen. Jeden Tag sank ich abends immer tiefer in meine Matratze. Noch nie zuvor hatte ich eine so tiefe Entspannung in allen Muskeln gespürt. Langsam kapierte ich, was mein Körper mir die ganze Zeit sagen wollte. Die Anspannung in meiner Vagina hing mit der unrealistischen Erwartung zusammen, die ich selbst an mich gestellt hatte: Jemand anderen um jeden Preis glücklich zu machen.

Langsam kapierte ich: Mein Körper arbeitet nicht gegen mich. Er ist mein bester Freund.

Er zeigt mir den Weg zu meinem „Ja“ und zu meinem „Nein“. Er lehrt mich, meine Grenzen zu spüren und zu kommunizieren. Und er wird erst dann aufhören mich zu schützen, wenn ich ihm bewiesen habe, dass ich „Ja“ und „Nein“ klar ausspreche – und dafür sorge, dass es eingehalten wird.

Okay, mit dem Kopf hatte ich die Botschaft meines Körpers jetzt endgültig kapiert. Jetzt wollte ich uns beiden beweisen, dass ich das Abgrenzen auch praktisch draufhabe.

Eine Partybekanntschaft

Bei einer Party traf ich einen netten Mann. Wir unterhielten uns angeregt, tanzten, lachten. Wir hatten eine wunderbare Zeit, und er bot an, mich heimzufahren, wenn ich noch länger bleiben will. – Okay, warum nicht?

Irgendwann schaute ich auf die Uhr und stellte fest, wir haben die letzten vier Stunden miteinander verbracht. Auf einmal wurde ich panisch.

Ich: „Sag mir, was du willst.“

Er: schaut mich verdutzt an.

Ich: „Schau nicht so. Sag einfach, was du willst. Du verbringst den ganzen Abend mit mir, lädst mich auf einen Drink ein, bietest mir an, mich heimzufahren. Sag mir nicht, dass du nichts von mir willst!“

Er: schaut noch verdutzter.

Ich: „Willst du mit mir schlafen? Ja oder nein?“

Er (überrascht): „Das wäre durchaus eine schöne Vorstellung. Das muss ich zugeben.“

Ich: „Ich nicht. Und ich will wissen, was du von mir willst. Sonst fühle ich mich nicht sicher, in dein Auto zu steigen.“

Jetzt verändert sich sein Gesichtsausdruck. Als ob ein Groschen gefallen wäre.

Er: „Ich will nichts mir dir machen, was du nicht willst.“

Phuuu. Eine Riesenlast fiel von meinen Schultern und ich begann zu weinen. Ich hatte meine Angst geäußert, dass meine Grenzen überschritten werden, und dieser Unbekannte war feinfühlig genug, um zu verstehen, was ich brauche, um mich wieder sicher zu fühlen.

Ein Experiment mit Nervenkitzel

Bei mir angekommen, wollte er sich verabschieden. Ich merkte: Oh, er drängt sich wirklich nicht auf. Jetzt wurde mein Vertrauen größer als meine Angst. Ich nahm meinen Mut zusammen und lud ihn ein, bei mir zu übernachten. Mit einer Bedingung: Wir schlafen nicht miteinander. – „Einverstanden“.

In meiner Wohnung angekommen, knisterte es aber schon zwischen uns. Wir warfen uns verführerische Blicke zu, ich bot ihm etwas zu trinken an. Und während ich die Gläser aus dem Schrank holte, berührte er meine Schulter und küsste meinen Nacken. Das war aufregend, aber eigentlich zu viel. Ich spürte, wie meine Kehle eng wird, und wie ich am liebsten wegrennen würde, wenn er so weitermacht.

Doch die Erfahrungen der vergangenen Stunden waren gut gewesen. Konnte ich ihm vertrauen? Konnte ich ehrlich ihm gegenüber sein? Wie konnte ich meine Grenzen verteidigen? Und plötzlich war mir sonnenklar, was ich tun musste. Ein ganz neues Gefühl stieg in mir auf. Ich raffte all meinen Mut zusammen … und sagte ihm einfach, was in mir vorging. Alles.

Ich raffte all meinen Mut zusammen …
und sagte ihm einfach, was in mir vorging.

Dass es mir zu viel war, als er mich geküsst hat. Dass ich es selbst unglaublich finde, wie empfindlich ich bin. Dass ich unendlich traurig darüber bin, dass ich nichtmal jemanden küssen kann. Dass das alles einfach schrecklich ist.

Zu meiner Überraschung fand er meine Überempfindlichkeit gar nicht schlimm. Er wollte wissen, was dahinter steckt. In einigen Sätzen schilderte ich, dass ich ein Thema mit Grenzen habe.

Er: „Hast du schlechte Erfahrungen gemacht?“

Ich: „Ja.“

Er: „Okay. Das ist Vergangenheit. Brauchst nicht weiter erzählen. Ich würde gern einen schönen Abend mit dir verbringen. Kannst du mir zeigen, wo die Grenze ist, wenn ich dich berühre?“

Dieses Spiel fand ich spannend. Also spielten wir. Er berührte meinen Bauch – und mir war es schon zu viel. Ich: „… schon überschritten. Frag mich, bevor du mich berühren willst, ob es ok ist, mich dort zu berühren. Und nenne mir genau die Körperstelle, bitte.“

Zu meiner Überraschung hielt er sich dran. Er wartete auch meine Antwort ab, mit der ich mir teilweise echt Zeit ließ. Ich musste schließlich in jede Frage reinspüren.

Wozu das führte? Nach einiger Zeit konnte er mich fast überall berühren, ohne um Erlaubnis bitten zu müssen. Mein Körper hatte gelernt, dass er vertrauenswürdig ist, und war bereit, sich ihm zu öffnen.

Wir schliefen nicht miteinander. Aber wir verbrachten eine zauberhafte Nacht. Und ich lernte, was es heißt, auf den Körper zu hören und zu sich zu stehen – in der Interaktion mit einem anderen Menschen.

Babyschritte

Warum ich das so detailliert schildere? Weil ich ein Learning an dich weitergeben möchte. Der Weg raus aus dem Schatten geht nur mit radikaler Ehrlichkeit. Willst du, dass deine Grenzen gewahrt werden, dann musst du sie selbst wahren – indem du lernst, sie zu spüren und sie deinem Gegenüber zu kommunizieren. Und zwar schonungslos ehrlich.

Ich weiß, wie peinlich sich das anfühlt zu sagen, dass selbst kleinste Kleinigkeiten nicht gehen. Die Gesichter der Menschen, die dich nicht verstehen, hinterlassen dich mit der Frage, ob du überhaupt normal bist. Ich weiß. Und ich sage dir: Du bist völlig normal.

Bleib bei dem, was du brauchst. Spüre es und sage es. Und wenn es nicht eingehalten wird, sag NEIN. Gehe mit Babyschritten vorwärts und erwarte keine Quantensprünge. Sei geduldig mit dir – und Schritt für Schritt, Nein für Nein, werden deine Grenzen immer spürbarer. Nicht nur für dich, sondern auch für alle anderen. So sehr, dass du sie irgendwann gar nicht mehr verteidigen musst. Weil sie erkannt und respektiert werden.

Drum: Gib dir die Zeit, die du brauchst. Dein Körper wird es dir danken.

PS. Wenn du tiefer in das Thema „Grenzen“ einstiegen möchtest, empfehle ich dir das Buch von Anne Katherine, Boundaries. Where You End and I Begin.

Wenn du nicht nur kognitives Wissen suchst, sondern jemanden, der dich an die Hand nimmt bei der Erforschung deiner eigenen Grenzen, dann vereinbare ein Kennenlern-Telefonat, um zu ermitteln, ob ein Coaching für dich der Weg ist.

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